Wandel im Journalismus: Der Blogger als Medienmarke
Das Internet ändert die Spielregeln im Journalismus. Früher wurden Informationen oder Geschichten von Journalisten recherchiert, aufbereitet und über die Massenmedien, wie z.B. Zeitungen publiziert. Heutzutage kann jeder Mensch mit Internetzugang selbst Informationen aufbereiten und Geschichten erzählen - und diese publizieren. Der Unterschied ist nur, dass Massenmedien normalerweise bekannte Marken sind, denen die Menschen vertrauen und sich ihrer Qualität bewusst sind. Deshalb haben diese „Qualitätsmedien“ auch viele Abonnenten – egal ob im Zeitungsabo, per RSS, Facebook oder Twitter. Wenn ein Mensch Geschichten erzählen oder einfach mal seine Meinung der Öffentlichkeit kundtun möchte, kann er ohne viel technisches Wissen eine eigene Website dafür veröffentlichen – ein Blog entsteht.
Für den Konsumenten von Nachrichten und interessanten Informationen gibt es somit zwei große Publikationsgruppen: Nachrichtenportale und Blogs.
Bei den meisten Nachrichtenportalen besteht grundsätzlich erst einmal ein großer Vertrauensvorschuss, denn die Marken haben sich im Markt etabliert, liefern schon lange lesenswerte, wahrheitsgetreue Texte und haben sich eine Reichweite aufgebaut. Letztendlich sind sie aber kommerzielle Unternehmen, die viel Reichweite erzielen müssen, damit sie sich refinanzieren können.
Blogs gibt es, im Gegensatz zu Nachrichtenportalen, viele, viele mehr. Services wie Wordpress und tumblr haben maßgeblich dazu beigetragen, dass jeder, der Zeit und Lust dazu hat, eigene Texte veröffentlichen kann. Da man als Einzelner normalerweise bestimmte Interessensgebiete hat, auf denen man sich auch auskennt, schreibt man lieber nur über diese Themen. Es entsteht ein (Nischen-)Blog.
Ein neuer Blog ist zuerst unbekannt. Als Blogger versucht man erst einmal seinen Freundes- und Bekanntenkreis darauf aufmerksam zu machen. Man beschäftigt sich mit Plugins für den Blog, Suchmaschinenoptimierung, eigenen Social Media Accounts bei Facebook, Twitter, Google+, usw. und versucht sich so bestmöglich aufzustellen. Der einzige Grund, warum Menschen den Blog lesen, sind aber die Inhalte, die der Blogger publiziert. Wenn diese interessant sind, wird der Leser auch immer wieder gerne wiederkommen und den Blog auf irgendeine Art und Weise abonnieren. Falls die Inhalte gut sind, werden sie sich auch weiterverbreiten und es werden immer mehr Leser dazukommen. Um als Blogger erfolgreich zu sein, benötigt er neben thematischen Wissen und der Fähigkeit gute Texte zu schreiben, auch etwas technischen Fachverstand, Marketingfähigkeiten und ein großes Netzwerk. Das unterscheidet ihn auch von vielen Journalisten, die zwar schreiben können, aber ansonsten die heutigen Möglichkeiten des Internets nicht nutzen.
Grundsätzlich setzt sich, auch bei den Blogs, nur Qualität durch. Ein Blogger hat oftmals die Zeit und tieferen Informationen, um ein Thema sehr gut zu recherchieren. Er hat auch nicht den Druck, unbedingt etwas publizieren zu müssen. Bei Nachrichtenportalen ist dies anders. Wenn ein Blogger etwas publiziert, kann er sich oftmals auch die Zeit nehmen, damit ein Artikel „perfekt“ ist.
Durch Virato konnte ich gut sehen, dass viele interessante Themen erst von einem Blogger publiziert werden, sich dann dieser Artikel über Social Media verbreitet und irgendwann das Thema von den Nachrichtenportalen aufgenommen wird. Bei den Nachrichtenportalen werden Blogger aber teils noch als Konkurrenz betrachtet. Leider wird oftmals die Quelle verschwiegen und lautet dann einfach „Internet“. Das ist sehr schade, da der Journalist selbst die Quelle als seriös betrachtet hat, aber nicht noch zusätzlich "Werbung" für sie machen will. Der Siegeszug der Blogs ist aber nicht aufzuhalten. Über Social Media werden Inhalte verteilt und der Mensch erhält z.B. im Facebook-Newsstream eine Fülle von möglichen Nachrichtenquellen präsentiert. Er kann sich selbst aussuchen, was er liest, macht seine Erfahrungen mit Quellen und wird so auch immer mehr auf Blogs stoßen, die vielleicht genau das schreiben, was ihn interessiert. Ein Blog wird somit immer mehr zu einer Marke. Und mit ihm natürlich auch der Mensch selbst, der hinter allem steckt – also der Blogger.
Die Definition einer Marke laut Gabler Wirtschaftslexikon: „Eine Marke kann als die Summe aller Vorstellungen verstanden werden, die ein Markenname oder ein Markenzeichen bei Kunden hervorruft bzw. beim Kunden hervorrufen soll, um die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ Viele Blogger gelten in der Öffentlichkeit bereits als anerkannte Experten für ihr Themengebiet, sie halten Vorträge oder Sessions auf Barcamps und sie versuchen sich mit einem Erscheinungsbild ein eigenes Image bzw. Corporate Design zu schaffen. Dazu gehört z.B. auch ein eigenes Logo. Beispiele hierfür sind Sascha Lobo, Richard Gutjahr, Thomas Knüwer, Caschy oder auch Kai Thrun.
Als Leser weiß ich, welche Personen gut recherchieren und interessante Texte schreiben. Da ist dann auch der Ort der Publikation unwichtig. Als Beispiel kann ich hier Martin Weigert aufführen, der auf netzwertig.com und martinweigert.com schreibt.
Viele Verlage und z.B. auch Google haben erkannt, dass der Mensch hinter einem Beitrag immer wichtiger wird, da er selbst als Vertrauenselement und Multiplikator dient. Deshalb werden Autorenprofile immer wichtiger.
Natürlich steigert der Bedeutungsgewinn der Blogger auch das Interesse von Unternehmen. Nicht umsonst ist das Thema „Blogger Relations“ gerade in aller (Marketing-)Munde. Teils kommen hierbei auch neue Herausforderungen auf den Blogger zu. Die Unternehmen wollen auch ihre Geschichten erzählen („Content Marketing“ / „Storytelling“) und sehen das Potential in der Zielgruppe, die die Blogger erreichen. Hier kann auch dem Blogger über Anzeigen eine lukrative Einnahmequelle geboten werden. Erfolgreiche Blogger werden somit in Zukunft mehr zu eigenen Unternehmen und Medienmarken, die auch von der Gesellschaft auch als solche akzeptiert werden. Aber Achtung: Sobald man hauptberuflich ein Blog führt, muss man auch immer wieder für Reichweite und Anzeigen sorgen, damit die Finanzierung gesichert ist. Das ist der Druck, unter dem der normale Journalist leidet.
Die Süddeutsche schreibt heute über die Modebloggerin Jessica Weiß von „Journelles“:
„Eine andere Legitimation als die Zahl der Menschen, die ihnen folgen, haben Blogger wie Jessica Weiß nicht. Wer viele Klicks bekommt, kann bestehen und bekommt die besten und teuersten Werbeaufträge. Und die anderen eben nicht.“
Ich denke, die Menschen vertrauen ihrer Meinung und folgen ihr nur aus diesem Grund. Und wenn man dies hauptberuflich macht, dann kann man auch nur mit guten Inhalten und einem passenden Konzept bestehen. Ein Nachrichtenportal oder Verlag hat auch keine andere Legitimation. Letztendlich zählen nur die Menschen, die man erreicht. Und dafür muss man Qualität publizieren.
Der Nachrichtenmarkt wird sich langsam neu aufstellen müssen. Immer mehr Menschen werden selbst Geschichten publizieren. Immer mehr Menschen werden selbst zu möglichen Quellen für Nachrichten. Die Nachrichtenportale müssen umdenken. Blogger werden zu Journalisten und Journalisten zu Bloggern. Es wird aber seine Zeit dauern, bis sich die Masse der Gesellschaft selbst ein Bild über die große Menge an Blogs und ihre Qualität gemacht hat. Hier werden immer wieder neue Gesichter und Medienmarken in den Vordergrund kommen. Aber grundsätzlich hat jeder Mensch die Chance eine eigene Medienmarke zu werden.
Als falls du es dir zutraust: Fang an zu bloggen!